Cati in Muheza
Meine Zeit bei Tihamwe
Gerne möchte ich von meinem zweimonatigen Aufenthalt bei Tihamwe, einem Kindergarten in Muheza, im Nord-Osten von Tansania berichten.
Wie es dazu kam, dass ich mir das Land Tansania ausgesucht hatte – also die ganze Vorgeschichte – würde den Rahmen dieses Berichts sprengen. Nur so viel:
Vor meiner Abreise hatte ich glücklicherweise den Kontakt von Liz bekommen, d.h. über das nähere Umfeld des St. Leonharder Pfarrkindergartens in Graz. Nachdem wir uns ausführlich unterhalten hatten, war klar, dass mich nichts mehr zurückhalten konnte, mich in dieses Abenteuer zu begeben. Ich war zuvor noch nicht in Afrika gewesen. Meine Neugier ließ mir keine Ruhe und durch die Informationen von Liz bestärkt, wollte ich meinen beruflichen Hintergrund als Volksschullehrerin mit solch einer (Lebens)Erfahrung erweitern.
„Tihamwe“ heißt wörtlich übersetzt „wir stehen zusammen“, und was das wirklich bedeutet, durfte ich in Tihamwe schon bald selbst spüren.
Mein „Schulweg“ zu Tihamwe verlief über kleine Wege, vorbei an Mango- und Jackfruit-Bäumen und am Ende durch ein Feld; zu Fuß leicht machbar. Als ich das erste Mal im Kindergarten war, war ich fasziniert.
Das Kindergartengelände befindet sich nämlich auf einem kleinen Hügel, von dem man eine unglaubliche Aussicht auf Berge, Wälder und lauter Palmen hat. Fabelhaft! Doch nicht nur das Außenleben, sondern auch das Innenleben von Tihamwe ist herzerwärmend.
Der Tag beginnt stets mit der „Morning Parade“, bei der mit großer Leidenschaft zahlreiche Lieder und Reime gesungen werden. Dazu wird geklatscht, getanzt und natürlich viel gelacht! Dann geht’s ab in die Kindergartenräume, derer es z.Zt. zwei gibt. Sie muten schon ein wenig an wie ein Klassenraum, aber da gibt es auch andere Elemente, wie z. Bsp. diese runden Tische, wo die Kinder Platz haben sich mit den verschiedensten Dingen zu beschäftigen (malen, puzzeln usw.).
Diese Art von Raumaufteilung bzw. -nutzung war mir neu. Warum das so ist, erkläre ich nun:
Die Lerninhalte im Kindergarten in Tansania unterscheiden sich sehr von jenen in Österreich. In Tansania wird nämlich von den Volksschulen verlangt, dass ein Kind bereits zu Schuleintritt in der Lage sein muss, zu lesen. Deshalb wiederum müssen sich die Kindergärten große Mühe geben, den Kindern diese Kompetenzen schon so früh beizubringen. Da kann man den Eindruck gewinnen, dass der Alltag in Kindergärten eher einem Volksschulunterricht gleicht. So lernen die Kinder schon sehr früh zu lesen und zu schreiben, auch bei Tihamwe. Leider geht dadurch sehr viel Zeit für spielerisches Lernen verloren und Kompetenzen, die eigentlich für diese Altersgruppe vorgesehen wären (z.B. soziale Kompetenzen, künstlerische Fähigkeiten, naturwissenschaftliche Kenntnisse etc.) rücken in den Hintergrund. Schon in sehr jungem Alter also müssen die Kinder sich mit den abstrakten Buchstaben und Zahlen herumschlagen.
Beeindruckend ist aber, wie lang sich die Kinder konzentrieren können, und was für eine perfekte Handschrift bei den Älteren zu erkennen ist (davon kann man in Österreich nur träumen). Ich habe wieder einmal gelernt, dass man Kinder nicht unterschätzen sollte und ihnen viel mehr zutrauen kann, als man glaubt! Zum anderen sehe ich es so, dass Tihamwe selbst organisatorisch und pädagogisch sicher noch in einem Lernprozess ist. Oben beschriebener Spagat lässt sich nicht auflösen, aber bestimmt gemäß den Bedürfnissen der Kinder in eine gute Balance bringen.
Als Jause gibt es Uji! Das ist eine Art Porridge, das in jedem Kindergarten von der eigenen „Bibi Uji“ (= „Oma Porridge“) liebevoll zubereitet und an die Kinder verteilt wird. Das Highlight danach ist mit Sicherheit die Hofpause, in der sich die Kinder austoben, auf den bunten Schaukeln und Karussellen spielen und sich u.a. mit Puppen und Bällen beschäftigen. Zum Abschluss des Tages gibt es eine weitere Lerneinheit, und für die Kleinen ein Schläfchen. Ein Spektakel ist es dann, wenn die Kinder abgeholt werden, und teilweise bis zu vier Kinder in ihren bunten Schuluniformen auf einem Motorrad nach Hause gebracht werden. Ein lustiger Anblick!
Es war schön zu sehen, wie gut jeder des Tihamwe staff „seine“ Kinder kennt, schätzt und liebt. Michael, der „Supervisor“ des Kindergartens hat mir immer gesagt, man könnte Stella, (seine Frau und gleichzeitig eine Pädagogin) mitten in der Nacht aufwecken und sie fragen, was die Stärken und Schwächen von Kind X sind und sie könnte es sofort beantworten. Der Slogan „Wir stehen zusammen“ ist also nicht nur ein einfacher Spruch, sondern die Philosophie des Kindergartens.
In Tansania haben mir viele Menschen erzählt, sie seien zwar arm, aber glücklich. Diese Lebensfreude konnte ich auch an den Kindern sehen und an ihr erfreute ich mich selbst jeden Tag, wenn ich von den vielen glücklichen Kindern umgeben war, die ihren Kindergarten, ihre Betreuer bzw. Pädagogen und ihre Freunde liebten.
Ich bin sehr dankbar für meine Zeit bei Tihamwe und werde sie bestimmt nie vergessen!